Oberlandesgericht München
Nymphenburger Str. 16
80097 München
15. November 2006
Az. des AG München 1111 OWi 124 Js 10607/05
In dem Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen Bxxxx Mxxxx zeigen wir die Vertretung
der Angeschuldigten an. Wir überreichen in der Anlage auf uns lautende
Vollmacht.Wir beantragen, die Rechtsbeschwerde der Betroffenen das Urteil das
Amtsgerichts München vom 25.9.2006 zuzulassen.
Begründung
I.
Sachverhalt
Die Betroffene ist "Synergetik Therapeutin". Sie trat im Internet
unter www.molnarenergy.de auf. Die Zulässigkeit dieser Information wurde
von der Verwaltungsbehörde moniert, so dass sie die Betroffene etwa Anfang
2004 zeitweilig unterließ. Danach stellte sie sie wiederum ins Internet.
Am 03.01.2005 führte die Verwaltungsbehörde eine Internet-Recherche
durch. Auf der Seite der Betroffenen gelangte man durch "Links" zu
einer Seite, in der Einzelsitzungen und Behandlungsabläufe beschrieben
sind.
1. Verfahrensrelevante Sachverhalte
Verfahrensrelevant handelte es sich um folgende Beschreibungen:
a) Garten der Illusion (135)
Der 50-jährige Akademiker leidet an schweren allergischen, bronchialasthmatischen
Beschwerden. Diverse Behandlungen von Seiten der Schulmedizin und mehreren Heilpraktikern
haben keine Besserung ergeben. Nur mit Sprays und Cortisonbehandlungen kann
er überleben. Während einer Gruppensitzung im Rahmen der Ausbildung
zum Synergetik Therapeuten können mehrere Personen staunend mitverfolgen,
wie sich live eine Spontanheilung bei dem Klienten vollzieht. Hustend und nach
Luft ringend hatte er sich zu der Einzelsitzung auf die Matratze gelegt, zwei
Stunden später steht er ohne jegliche Beschwerden wieder auf. Er wirft
seine Spraydose weg und lebt die nächsten 10 Monate beschwerdefrei. Doch
die Geschichte geht noch weiter...
b) Brustentzündung (142)
Die Klientin erzählt, dass sie vor kurzem eine Milchdrüsenentzündung
in der linken Brust hatte. Nach der ärztlichen Untersuchung (Mammographie)
bekam sie für kurze Zeit Penicillin, welches sie, aufgrund allergischer
Reaktionen, wieder absetzte. Bei der Nachuntersuchung wurden "Partikelreste"
in der Brust festgestellt. Diese operativ entfernen zu lassen, lehnte die Klientin
ab. Sie entschied sich, die Behandlung gänzlich abzubrechen. Bis vor einem
Jahr war sie immer gesund gewesen. Damals entfernte man ihr die Gebärmutter.
Nur hat sie Angst, mit ihrer Brustentzündung in die "Brustkrebsmaschinerie"
zu geraten. In der Probesession kann der dahinterliegende Konflikt sehr schnell
aufgedeckt werden. Ihre hilfslose, kranke Mutter, welche sie schon seit einiger
Zeit wie ein eigenes Kind umsorgt, hatte sie nicht mehr erkannt und sich sogar
von ihr abgewandt. (Mamma-Carcinom links = Mutter-Kind-Konflikt Sorgekonflikt
nach der Neuen Medizin von Dr. Hamer). Nachdem die Klientin diese Tatsache in
der Sitzung erkannt, den dahinterliegenden Schmerz gespürt und ihre Mutter
losgelassen hatte, löste sich die Brustentzündung auf.
c) Lebensmittelunverträglichkeit (183)
Die Klientin befindet sich in einem schlechten Allgemeinzustand. Zudem leidet
sie unter einem chronischen Erschöpfungszustand, Herzschmerzen, Atemnot,
sowie seit einigen Jahren an einer sehr starken Lebensmittelunverträglichkeit.
Der tiefste Hintergrund war der Verlust ihres Schnullers, den ihr Vater achtlos
in den Mülleimer geschmissen hatte. Der Schnuller hatte jedoch eine ganz
wichtige Bedeutung für die Klientin gehabt, da er ihr all die Wärme
gab, die sie in ihrem Elternhaus vermisste. Sie hatte das Liebste verloren,
was sie in den Mund genommen hatte - und das Essen ist für das was sie
wirklich möchte - nämlich Liebe und Wärme - nur ein sehr schlechter
Ersatz. Vor sieben Jahren befand sich die Klientin in einer schwierigen Beziehung,
die ein Auslöser für ihre Lebensmittelunverträglichkeit gewesen
zu sein schien. Als sie die Verlustangst nicht mehr ertragen konnte, spaltete
sie einen Teil ihrer Persönlichkeit einfach ab. In dieser Sitzung holt
sie sich zuerst diesen Anteil und schließlich auch ihren Schnuller wieder
zurück. Die Nahrungsmittelunverträglichkeit der Klientin besserte
sich zusehends, so dass sie drei Monate nach dieser Sitzung fast wieder alles
essen konnte.
Die jeweils in Klammer gesetzte Zahl ist der Internetseite entnommen und entspricht
der auf dieser Stelle vorgenommenen Durchnummerierung der Beispiele.
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Aufgrund der Internet-Recherche erließ die Regierung von Oberbayern am
07.01.2005 einen Bußgeldbescheid. Infolge dieses Bußgeldbescheides
stellte die Betroffene ihre Internetseite ein.
2. Urteil des AG
Das AG München hat im Urteil vom 25.9.2006 die Betroffene der vorsätzlichen
unerlaubten Werbung mit Wiedergabe von Krankengeschichten sowie mit Hinweisen
darauf in 3 tateinheitlichen Fällen für schuldig befunden, §§
11 Abs. 1 Nr. 3, 15 Abs. 2 Nr. 8 HWG.
Zur Begründung führte es u.a. aus:
"Das Heilmittelwerbegesetz findet gemäß § 1 Abs. 1 Nr.
2 HWG Anwendung, da die Betroffene mit ihrem Internetauftritt Werbung für
die von ihr praktizierte Synergetik-Therapie macht.
Die Betroffene muss sich die Seite, zu der man erst durch "Links"
gelangt, auch zurechnen lassen. Auch wenn es sich um eine fremde Webseite handelt,
so muss sich die Betroffene durch den Verweis auf ihre Seite die fremde Webseite
vollumfänglich zurechnen lassen. Die Betroffene wollte ja gerade auch in
ihrer Eigenschaft als Synergetik-Therapeutin mit dem Inhalt der fremden Webseite
die Qualität dieser Methode belegen und untermauern. Sie macht sich damit
den Inhalt quasi zu eigen.
Zur Überzeugung des Gerichts handelte die Betroffene auch zumindest bedingt
vorsätzlich. Die zuständige und sachkundige Verwaltungsbehörde
hatte der Betroffenen deutlich zum Ausdruck gegeben, dass diese Form der Werbung
nicht zulässig sei.
Die von der Betroffenen geltend gemachte Verletzung ihrer Grundrechte ist objektiv
nicht gegeben. Auch wenn die Betroffene ernsthaft der Auffassung sein mag, dass
ihre Grundrechte verletzt seien, so kann dies nicht dazu führen, dass sie
geltende Gesetze nicht beachtet.
Aufgrund der einheitlichen und gleichzeitigen Einstellung in das Internet geht
das Gericht von tateinheitlicher Begehungsweise aus. "
Das Urteil wurde am 18.10.2006 zugestellt.
Gegen das in Anwesenheit der Betroffenen am 25.9.06 verkündete Urteil hat
die Betroffene über ihren früheren Bevollmächtigten Antrag auf
Zulassung der Rechtsbeschwerde eingelegt, welcher hiermit begründet wird.
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II.
Rechtslage
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist gem. § 80 OWiG, §§
344, 345 StPO zulässig. Er ist gem. § 80 I OWiG begründet, da
die Nachprüfung des Urteils des AG der Fortbildung des Rechts dient und
§ 80 II OWiG nicht entgegensteht.
Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts. Entgegen dem AG ist bei
der gebotenen verfassungskonformen Auslegung am Maßstab des Art. 12 I
GG das HWG auf die Synergetik-Methode nicht anwendbar und stellen Links zu Kurzfassungen
hier in Rede stehender Berichte keine verbotenen Wiedergabe von Krankengeschichten
im Sinne des HWG dar.
1. Zulassungsgrund
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist zur Fortbildung des sachlichen Rechts
geboten.
Von der Notwendigkeit einer Überprüfung von Urteilen zur Fortbildung
des sachlichen Rechts ist dann auszugehen, wenn bei der Auslegung von Rechtssätzen
und der rechtsschöpferischen Ausfüllung von Gesetzeslücken Leitsätze
aufzustellen sind, um dem Rechtsbeschwerdegericht Gelegenheit zu geben, seine
Rechtsauffassung in einer für die nachgeordneten Gerichte richtungsgebenden
Weise zum Ausdruck (BGHSt 24,15, 21; OLG Bamberg Beschluss vom 11. 1. 2006-2
Ss OWi 1583/05).
Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall vor, da es um die grundsätzliche
Problematik, ob die in Fällen der vorliegenden Art erfolgende Auslegung
des HWG verfassungskonform ist. Diese Frage ist bisher nicht in der gebotenen
Weise von dem AG, dem OLG sowie anderen Fachgerichten geprüft worden.
Das BVerfG verweist zu recht darauf, dass die Sicherung der Grundrechte vorrangig
Sache der Fachgerichte wie hier des AG und des OLG ist; die im Falle der Nichtzulassung
der Rechtsbeschwerde unvermeidliche Verfassungsbeschwerde ist nur ein subsidiärer
Rechtsbehelf (vgl. auch § 90 II BVerfGG).
2. Berufsfreiheit
Maßgebliches Grundrecht, auf das sich die Betroffene bei ihrer Information
über die Homepage berufen kann und das vom AG nicht geprüft worden
ist, ist das Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 I GG.
a) Beruf
Die Tätigkeit als Synergetikerin ist ein Beruf (vgl. BVerfGE 7, 377 ff.),
der grundsätzlich den Schutz des Art. 12 I GG genießt. Schließlich
handelt es sich um eine Tätigkeit, die der Schaffung und Erhaltung des
Lebensunterhalts dienen kann.
b) Erlaubnisfreiheit
Der Beruf ist auch erlaubt. Die Tätigkeit der Betroffenen als Synergetikerin
ist erlaubnisfrei.
Sie stellt keine Heilkundeausübung im Sinne von § 1 Abs. 2 Heilpraktikergesetz
(HeiIPrG) dar.
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Die Ausübung von Heilkunde setzt die Feststellung, Heilung und Linderung
von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden von Menschen voraus.
Hieran fehlt es bei der Tätigkeit der Betroffenen. Synergetiker lindern
oder heilen nicht selbst. Sie gewähren lediglich Hilfe zur Selbstheilung.
Zwar wird es kaum einen medizinischen Heilungserfolg geben, der unabhängig
vom Heilungswillen des Patienten ist; trotzdem bestehen grundsätzliche
heilmethodische Unterschiede zur Methode der Synergetik. Die Trennungslinie
verläuft dort, wo die Mitwirkung des Patienten zur dominanten Größe
im Genesungsprozess wird und wo die technische Qualifikation der Behandlungsmethode
den Ausschlag gibt. Die Aufgabe des Synergetikers beschränkt sich darauf,
die Klienten durch Abspielen von Musik, Vorlesen von Entspannungsbändern,
Rückwärtszählen lassen und das Suggerieren des Herabsteigens
in die eigene Seele sowie das öffnen von inneren Türen in den gewünschten
Zustand der Entspannung zu versetzen. Eine Diagnose wird dabei nicht gestellt.
Deshalb unterscheidet sich diese Methode auch erheblich von den geläufigen
Methoden der Psychoanalyse, welche einer Erlaubnis bedürfen. Bei der Psychoanalyse
ist die Deutung von Träumen, Erlebnissen und Widerständen neben der
Schilderung des Patienten derart wichtig, dass der Heilungserfolg wesentlich
von der wissenschaftlich angeleiteten und schulmäßig spezialisierten
Fähigkeit des Therapeuten abhängig ist.
Die synergetischen Heilungshilfen sind dagegen prinzipiell anders strukturiert.
Es geht nicht um methodisch fundierte Fremd- und Selbstdeutung vergangener Erlebnisse,
sondern um die Festsetzung von den Klienten selbst vorhandener Kräfte,
die in Anlehnung an physikalische Konzepte als Energien aufgefasst werden. Ist
durch die angeleiteten (Selbst-) Gesprächssitzungen der Anschluss hieran
gefunden, läuft der Heilungsvorgang ohne weitere Heilungshilfen des Synergetikers
wesentlich von selbst ab. Der Klient ist nicht wie ein Patient auf Heilung angewiesen,
sondern er heilt sich selbst.
Insofern ist auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 02.03.2004
(1 BvR 784/03) hinzuweisen. In dieser Entscheidung hatte das Gericht über
die Erlaubnispflicht in einem Fall des geistigen Heilens zu befinden. Der Antragsteller
wandte sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen den Eingriff in seine Berufsfreiheit,
nachdem sein Antrag auf Heilpraktikererlaubnis mit der Begründung abgelehnt
wurde, durch das von ihm praktizierte Handauflegen könnten Schäden
der Volksgesundheit nicht ausgeschlossen werden. Das BVerfG gab dem Antragsteller
Recht und führte aus, durch das Mittel "Handauflegen" seien gesundheitliche
Gefahren nicht hinreichend wahrscheinlich,
Der Synergetiker gibt noch nicht einmal - wie der Handaufleger - "heilende
Energie" weiter. Gesundheitliche Gefahren für seine Klienten sind
daher noch weniger bzw. überhaupt nicht zu erwarten bzw. zu befürchten.
c) Werberecht
Zur Wahrnehmung beruflicher Betätigungen sind die Berufsangehörigen
wie hier die Synergetiker darauf angewiesen, über ihre berufliche Tätigkeit
zu informieren. Werbung wie die Weitergabe von Informationen ist unverzichtbar
für eine Berufsausübung.
5Dieses Recht zur Werbung besteht als Teil des Grundrechts der Berufsausübung
bei allen erlaubten Betätigungen.
Die in Art. 12 GG enthaltene Freiheit der Berufsausübung schließt
die Außendarstellung einschließlich der Werbung von selbstständig
Berufstätigen allein, soweit sie auf die Förderung des beruflichen
Erfolgs gerichtet ist. Das BVerfG betont in ständiger Rspr., dass freiberuflich
tätige ganz allgemein darauf angewiesen sind, potentielle Mandanten über
Ihr Dienstleistungsangebot zu informieren (BVerfG E. 85,2 148,2 146; 94, 372,
389; NJW 2002,3091). Dies gilt auch für Synergetiker.
Die Bf. kann sich daher grundsätzlich auf das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit
berufen.
3. Eingriff
Das Urteil des AG stellt einen rechtserheblichen Eingriff in das Grundrecht
der Bf. auf Berufsausübungsfreiheit dar. Schließlich wird ihr die
Information über die berufliche Betätigung durch Wiedergabe von Beispielen
- selbst über bloße Links - unmöglich gemacht.
4. Rechtswidrigkeit
Der entsprechende Eingriff ist rechtswidrig.
Er ist formell nicht durch eine gesetzliche Grundlage gedeckt, Art. 12 I 2 GG.
In jedem Fall ist das Verbot unverhältnismäßig.
a) Fehlen einer gesetzlichen Grundlage
Zur Begründung der verhängten Geldbuße ist das Amtsgericht fehlerhaft
von Verstößen der Betroffenen gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG)
ausgegangen. Das HWG findet aber auf die Betroffene weder persönlich noch
sachlich Anwendung.
aa) Keine Anwendbarkeit des HWG auf Betätigungen von Synergetikern
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG findet das Gesetz Anwendung auf die Werbung für
andere Mittel, Verfahren, Behandlungen und Gegenstände, soweit sich die
Werbeaussage auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten,
Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden bei Menschen oder
Tier bezieht.
(1) Der für das HWG maßgebliche Betriff der "Behandlung"
mag zwar weitergehend als der Begriff "Ausübung der Heilkunde"
im Sinne des Heilpraktikergesetzes (HPG) sein. Er ist jedoch nicht unbegrenzt
anwendbar angesichts der Zielsetzung des Gesetzes.
Eine Behandlung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG verlangt, anders als
die Ausübung der Heilkunde im Sinne von § 1 Abs. 2 HPG, zwar keine
Tätigkeit, die nach allgemeiner Auffassung im Hinblick auf das Ziel, die
Art oder die Methode der Tätigkeit ärztliche Fachkenntnisse voraussetzt
(Doepner a.a.O. m.w.N.).
Es mag auch noch zutreffen, wenn an die heilkundlichen Kenntnisse bei der Frage
der Anwendbarkeit des HWG keine strengen Anforderungen gestellt werden dürfen,
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da ansonsten der Schutzzweck dieses Gesetzes unterlaufen würde (Gröning
§ 1 Rn. 330 mit Beispielen unter Rn. 331).
(2) Es vermag jedoch nicht zu überzeugen und hält einer Rechtsprüfung
nicht stand, wenn seitens des AG wie auch anderer Gerichte auf eine positive
Umschreibung des Anwendungsbereichs des HWG und des Begriffs "Behandlung"
völlig verzichtet wird und unter Berufung auf den Gesetzeszweck praktisch
jede Betätigung als "Behandlung" angesehen wird.
Wenn auch das HWG weiter ist als das HPG, so geht es nicht an, den Anwendungsbereich
des Gesetzes auf Tätigkeiten jeder Art zu erstrecken. Eine solche Auslegung
ist weder mit dem Gebot der Bestimmtheit noch mit dem Gesetzeszweck zu vereinbaren.
Es vermag daher nicht zu überzeugen, wenn das HWG subjektiv vom AG und
anderen Gerichten auf die Betätigung von Synergetikern angewandt wird.
bb) Keine Zurechnung von bloßen Links am Maßstab des UWG
Auch in objektiver Hinsicht ist es nicht vertretbar, das HWG auf die hier in
Rede stehende Ermöglichung der Wiedergabe von Geschichten Betroffener mittel
Links auf der eigenen Homepage anzuwenden.
§ 11 I Nr. 3 HWG (vgl. auch § 12 II HWG) bestimmt, dass außerhalb
der Fachkreise u.a. für Verfahren und Behandlungen nicht mit der Wiedergabe
von Krankengeschichten sowie mit Hinweisen darauf geworben werden darf.
Nach heute herrschender Meinung können zwar Verfasser von Krankengeschichten
im Sinne von 11 Nr. 3 HWG auch Laien sein, etwa Journalisten oder Patienten
(vgl. Doepner § 11 Nr. 3 Rn. 12; Gröning § 11 Nr.3 Rn. 4 m.w.N.).
Es vermag jedoch nicht zu überzeugen, eine solche "Werbung" auch
anzunehmen, wenn die Betroffenen sich auf bloße Links beschränken.
(1) Ein Hyperlink stellt in der Regel einen Querverweis durch eine andere Adresse
im www (URL). Durch das Anklicken eines Hyperlinks erhält der Nutzer die
unter dieser Adresse enthaltenen Informationen. Jedoch erhält er diese
nicht von demjenigen, der den Hyperlink gesetzt hat, sondern von dem Betreiber
der Website, deren Adresse durch die Aktivierung des Hyperlinks durch den Browser
des Nutzers angewählt wurde. Ein Hyperlink ist somit im Prinzip mit einem
Quellennachweis in einer Fußnote in der analogen Welt vergleichbar mit
dem Unterschied, dass die Quelle bequem mit einem Klick erreichbar ist, während
anderenfalls die in dem Quellennachweis URL manuell oder mittels "Copy
and Paste« in den Browser eingegeben werden müsste.
(2) Die Kurzfassungen befinden sich nicht auf der Homepage der Betroffenen,
sondern auf der Homepage einer anderen Person. Die Betroffene hat den Zugang
zu den "Kurzfassungen" durch das Setzen eines so genannten Hyperlinks
erleichtert. Das Setzen eines solchen Links stellt kein Werben für den
Inhalt der Homepage dar, auf die verlinkt wird, Damit macht die Betroffene sich
den Inhalt der fremden Homepage auch nicht zu eigen. Zudem ist für die
Besucher ihrer Homepage deutlich erkennbar, dass sie die Inhalte, mit denen
sie verlinkt Ist, nicht als eigene
7
behandeln lassen will. Weiter wird der Besucher nicht direkt auf die andere
Homepage mit der Unterrubrik geschaltet, sondern auf die Startseite der anderen
Homepage. So wird daher lediglich ermöglicht, dass der Besucher seinerseits
den Weg zu den "Kurzfassungen" findet.
Nach der Rechtsprechung zu wettbewerbsrechtlichen Verstößen bei Verlinkung
von Internetseiten ist zudem zu berücksichtigen, dass wenn für miteinander
verlinkte Internetseiten unterschiedliche Unternehmen rechtlich verantwortlich
sind, so ist dasjenige Unternehmen, auf dessen Internet-Angebot mittels Link
verzweigt wird, ohne das Hinzutreten besonderer Umstände für die Inhalte
auf der übergeordneten Internet-Seite selbst dann nicht wettbewerbsrechtlich
verantwortlich, wenn beide Unternehmen konzernverbunden sind und die Verlinkung
auch im Interesse den Betreibers der untergeordneten Seite erfolgt (vgl. OLG
Hamburg, Urteil vom 24.02.2005 5u 72/04 - TFT-Display).
(3) Derartige Links können am Wortlaut wie Schutzzweck des HWG gemessen
nicht als Werbung i.S.d. §§ 11, 12 HWG angesehen werden. Sie müssen
sich die Informationen Dritter nicht nach dem HWG zurechnen lassen. Schließlich
handelt es sich um eine fremde Website. Dieser Bewertung kann nicht entgegengehalten
werden, dass die Betroffene ja gerade in ihrer Eigenschaft als Synergetik- Therapeutin
mit dem Inhalt der fremden Website die Qualität dieser Methode belegen
und untermauern.
Das Amtsgericht hat völlig die bisherige Rechtsprechung des BGH missachtet,
der gleich in mehreren aktuellen Entscheidungen die Bedeutung der Link-Freiheit
für die Nutzung des Internet betont hat. Der BGH sieht Hyperlinks als "elektronische
Verweise" und stellt dazu fest, dass die "sinnvolle Nutzung der unübersichtlichen
Informationsfülle im world wide web ohne den Einsatz von Hyperlinks zur
Verknüpfung der dort zugänglichen Dateien praktisch ausgeschlossen
wäre" (vgl. BGH MMR 2004, 529 mit Anm. Hoffmann).
Es wäre, diese Rechtsprechung in den Blick nehmend, gleichermaßen
eigenartig. wenn man sich über rechtswidrige Angebote im Internet keinen
Eindruck verschaffen könnte. Wer über falsches Verhalten im Netz aufklären
will, muss auch einen Hinweis auf die betreffenden Seiten veröffentlichen
können bzw. veröffentlichen dürfen.
(4) Einer Zurechnung der Links am Maßstab des HWG steht auch § 8
11 TDG entgegen, durch das die Verantwortlichkeit des "Verlinkers"
für den rechtswidrigen Inhalt verlinkter - also fremder - Webseiten geregelt
wird.
(3) Keine Wiedergabe von Krankengeschichten
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde aus Gründen der Rechtsfortbildung erscheint
auch deshalb geboten, weil seitens des Gerichts verkannt wird, dass es sich
bei den "Kurzfassungen" nicht um die "Wiedergabe von Krankengeschichten"
im Sinne des HWG handelt.
Nicht jede öffentliche Erzählung von Krankengeschichten kann von dem
Werbeverbot erfasst werden; es kann nur um nur solche Personen gehen, von deren
Erzählungen eine besondere Unsachlichkeit der Beeinflussung der Werbeadressaten
ausgeht (vgl. Doepner, HWG-Kommentar, § 11 Nr. 3, Rn. 12).
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In erster Linie gehören dazu die Personen des besonderen Patientenvertrauens,
wie Ärzte und Heilpraktiker. Denn deren Bericht wird vom Patienten mit
besonderem Vertrauen in die Therapierelevanz aufgenommen, obgleich die Krankengeschichte
keine sachlichen Informationen über die Heilungsmethode und deren wissenschaftlicher
Fundierung erhält, sondern primär auf gefühlsmäßige
Reaktionen im Publikum abzielt.
Ganz anderes muss jedoch für die Krankengeschichten von Laien und Patienten
gelten. Zwar ist zuzugeben, dass auch von solchen Erzählungen unsachliche
Beeinflussungen ausgehen können. Doch dies ist nicht spezifisch für
Heilmittelwerbung. Das HWG zielt nicht auf die allgemeinen lauterkeitsrechtlichen
Wirkungen ab, sondern ist speziell auf die Berufsausübung von Ärzten,
Heilpraktikern und sonstige fachlich qualifizierte und deshalb ein Vertrauen
in Anspruch nehmenden Personen ausgerichtet. Demzufolge müssen die Personen,
welche keine typischen Vertrauensträger sind, vom Verbotsumfang ebenso
ausgenommen werden, wie dies aufgrund der technologischen Reduktion zu §
1 HeilPrG der Fall Ist.
Bei den im Urteil monierten Kurzfassungen handelt es sich um die Aussagen der
Klienten von Synergetikern. Dabei handelt es sich um die Wiedergabe von Originalsituationen.
Dabei ist zu beachten, dass es sich bei der "Synergetik-Werbung" nicht
um Gesprächsmitschnitte aus Gesprächsitzungen handelt, sondern um
Aussagen der Klienten über etwas, was in der Vergangenheit als Krankheits-
oder Heilungsvorgang abgelaufen ist. Die abgedruckten Mitschnitte sind daher
auch keine Geschichten sondern Dokumentationen.
b) Unverhältnismäßigkeit
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erscheint aber auch und vor allem deshalb
geboten, weil das AG - wie auch die bisher vorliegende Judikatur zu vergleichbaren
Fällen - dem Gebot der verfassungskonformen Auslegung des HWG am Maßstab
des Art. 12 I GG nicht entsprochen hat, soweit danach dem Gebot der Verhältnismäßigkeit
Rechung zu tragen ist. Die Verurteilung der Bf. stellt einen nicht erforderlichen
Eingriff in das Grundrecht des Art. 12 I GG dar.
aa) Das durch Art. 12 I GG gewährleistete Recht jedes Berufsangehörigen,
für seine Behandlung zu werben, muß bei der Auslegung und Anwendung
der einschlägigen Normen wie hier des HWG in die Abwägung einbezogen
werden. Im Urteil des AG fehlt diese Prüfung.
bb) Es lässt damit außer Acht, dass den Angehörigen freier Berufe
- nichts anderes gilt für Synergetiker - nicht jede, sondern lediglich
eine berufswidrige Werbung verboten ist (BVerfGE 71, 172 ff., 85,248, 257).
Sachangemessene Information, die den möglichen Patienten oder Interessenten
nicht verunsichern, sondern eher als mündigen Menschen befähigen,
von der von der freien Arztwahl sinnvoll Gebrauch zu machen, sind anerkanntermaßen
zulässig (BVerfGE 82, 18, 28; NJW 2002,1331; 2002,3091; 2003,2818).
cc) Die Vorschriften des HWG und ihre Auslegung stehen - so u.a. BVerfG (NJW
2004, 2660) - mit Art. 12 I GG nur in Einklang, solange dem HWG, das einer Verleitung
zur Selbstbehandlung bestimmter Krankheiten und leiden entgegenwirken soll (BGH
GRUR 19619,806; Doepner HeilmittelwerbeG, 2. Auf!. 2000, § 10 R. E. 9)
im Bereich der Selbstdarstellung der Berufsangehörigen wie z.B. der Ärzte
keine eigenständige Bedeutung beigemessen wird.
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Jede andere Auslegung müsse sich vor Art. 74 I Nr. 19 GG rechtfertigen
(vgl. BVerfG 102, 26, 33). Die Gerichte müssten in Anwendung des HWG auf
den konkreten Fall dem Maßstab des Art. 12 I GG gerecht werden. Von der
Beachtung dieser Grundsätze kann jedoch in der Entscheidung des AG keine
Rede sein.
dd) Wenn das HWG aber nur entgegenwirken soll einer Verleitung zur Selbstbehandlung
oder Selbstmedikation bestimmter Krankheiten und Leiden, ihm im Bereich der
Selbstdarstellung der Betroffenen keine eigenständige Bedeutung zukommt,
dann ist nicht erklärlich, warum man Synergetiker daran hindern soll, auf
entsprechende Krankengeschichten zu verweisen.
Schließlich verleiten sie nicht zur Selbstbehandlung" i.S.d. HWG
mit ihrer Art von Hilfestellung bei dem Versuch einer Selbstheilung seitens
der Patienten. Wie oben dargelegt beschränkt sich die Aufgabe des Synergetikers
darauf, die Klienten durch Abspielen von Musik, Vorlesen von Entspannungsbändern,
Rückwärtszählen lassen und das Suggerieren des Herabsteigens
in die eigene Seele sowie das öffnen von inneren Türen in den gewünschten
Zustand der Entspannung zu versetzen. Eine Diagnose wird dabei nicht gestellt.
Diese bloße Hilfestellung des Synergetikers ist nicht erlaubnispflichtig
nach dem HeilprG, weil wie beim verfassungsgerichtlich als erlaubnisfrei eingestuften
Geistheiler keine Tätigkeit ausgeübt wird, welche der staatlichen
Kontrolle wegen möglicher Gefahren für die Patienten bedarf. Wenn
aber die Tätigkeit ungefährlich und erlaubnisfrei ist, warum soll
dann nicht darüber berichtet werden dürfen?
Ein Verbot derartiger Informationen einschließlich Links könnte nur
gerechtfertigt werden, wenn von der Selbstheilung wie der Unterstützung
des Synergetikers irgendwelche Gefahren für die Kranken ausgehen. Bestehen
aber keine Gefahren, dann sind auch Verbote am Maßstab des Art. 12 I GG
nicht zu rechtfertigen. Das AG verkennt, dass letztlich nur eine Verbreitung
von Krankengeschichten, welche zu einer die Gesundheit des Einzelnen gefährdenden
Selbstbehandlung führen kann, ein Verbot rechtfertigt. Die undifferenzierte
Einbeziehung von Krankengeschichten jeder Art ohne Prüfung des Inhalts
ist am Maßstab des HWG und des Gebots einer verfassungskonformen Auslegung
nicht zu rechtfertigen.
ee) Es lässt sich nicht erkennen, wie und wodurch das entsprechende Verbot
dem Gemeinwohlbelang des Gesundheitsschutzes dienen kann.
Im Hinblick auf Art. 12 I GG muss zwischen dem Nutzen für das Gemeinwohl
und den die Berufstätigen belastenden Vorkehrungen sinnvoll abgewogen werden.
Diese Abwägung setzt voraus, dass der Bezug gesetzlich angeordneter Maßnahmen
zum Gemeinschaftsgut hinreichend spezifisch ist und Eignung und Erforderlichkeit
der Maßnahme nachvollziehbar begründet werden. Je enger der Bezug
von Vorschriften zu einem Schutzgut ist, desto eher lassen sich Eingriffe in
die Berufsausübungsfreiheit verfassungsrechtlich rechtfertigen. Steht dagegen
die Beschränkung nur in einem entfernten Zusammenhang zum Gemeinschaftsgut,
so kann dieser nicht generell Vorrang vor der Berufsausübungsfreiheit angesprochen
(vgl. BVerfGE 85, 248, 261).
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Die fraglichen Vorschriften des HWG bekämpfen aber unstreitig nicht unmittelbar
bestimmte Gesundheitsgefahren. Sie wollen lediglich der Verunsicherung von Kranken
begegnen und verhindern, dass langfristig negative Rückwirkungen auf die
medizinische Versorgung der Bevölkerung haben könnte.
Es ist hier aber im Fall der Bf. als Synergetikerin nicht erkennbar, welche
Verunsicherung durch entsprechende Informationen verursacht werden sollen.
ff) Es ist - so auch das BVerfG - bereits zweifelhaft, ob die Vorschriften des
HeilmittelwerbeG auf die Selbstdarstellung eines Arztes, der über Behandlungen
mit einem bestimmten Medikament informiert, Anwendung finden kann, solange der
Arzt nicht in Erwerb bestimmter Mittel entfiel. Nur bei einem Einfluss auf das
Kaufverhalten der Patienten könnte z.B. der Verkehr von Arzneimitteln betroffen
sein.
Diese Erwägungen müssen erst recht gelten, wenn jemand wie die Bf.
nur als Synergetikerin tätig ist und sie nur - zudem nur über Links
- auf Berichte bzw. Geschichten Dritter verweist. Schließlich wird mit
dieser Information nicht eine bestimmte Behandlung empfohlen.
gg) Das AG hat sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob in Fallkonstellationen
der hier fraglichen Art nicht das Recht auf Selbstdarstellung gegenüber
dem Gesetzeszweck des HWG Vorrang hat. Es fehlt in jedem Fall völlig die
unverzichtbare Abwägung.
hh) Mit der uneingeschränkten Subsumtion bloßer Links in die Verbote
des HWG hat das AG auch außer Acht gelassen, dass es sich bei der Werbung
im Internet um ein Medium handelt, das als passive Darstellungsplattform in
der Regel von interessierten Person auf der Suche nach ganz bestimmten Informationen
aufgesucht wird und sich daher der breiten Öffentlichkeit nicht unvorbereitet
aufdrängt (BVerfG NJW 2003,2818). Auch der BGH (WRP 2004, 2121) hat in
seiner Rechtsprechung zum freiberuflichen Werberecht inzwischen klargestellt,
dass die Werbung auf einer Homepage vor dem Hintergrund zu beurteilen ist, dass
das gewählte Werbemedium eine passive Darstellungsform darstellt.
Diese Passivität der Darstellungsform - sie wird erst recht bei der Verwendung
bloßer Links deutlich - muss bei der Heranziehung des HWG einfach- wie
verfassungsrechtlich herangezogen werden. Schließlich geht es hier neben
der Berufsfreiheit der Informanten wie der Synergetiker um die Informationsfreiheit
der im Internet Recherchierenden.
Festzuhalten ist, dass bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung des
HWG ein Verbot der hier fraglichen "Werbung" mittels Links nicht zu
rechtfertigen ist, da es nicht erforderlich ist im Interesse des Gemeinwohls.
Zusammenfassend ist festzuhalten: Das Ag hat bei der notwendigen Auslegung und
Anwendung der Bestimmungen des einfachen Rechts des HWG die Tragweite der Grundrechte
der Betroffenen nicht hinreichend berücksichtigt. Sein Auslegungsergebnis
führt zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der
grundrechtlichen Freiheit mit der Folge der Verletzung des Art. 12 I GG.
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Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erscheint daher zur Fortbildung des sachlichen
Rechts wie auch zur Vermeidung einer - subsidiären - Verfassungsbeschwerde
geboten. Es wird gebeten, wie beantragt zu entscheiden.
(Dr. Kleine-Cosack)
Rechtsanwalt