Oberlandesgericht Bamberg
BESCHLUSS

Der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Bamberg erlässt durch den Richter am Oberlandesgericht Löffler

In dem Bußgeldverfahren
gegen
M o l n a r Brigitte
wegen
Ordnungswidrigkeit nach dem Heilmittelwerbegesetz
am 1. Juni 2006 folgenden

B e s c h l u s s

:I. Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 12. September 2005 mit den Feststellungen und der Kostenentscheidung aufgehoben.

II. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht München zurückverwiesen.


G r ü n d e :

I.
Das Amtsgericht München hat die Betroffene am 12.09.2005 wegen „38 tateinheitlicher Verstöße gegen das Heilmittelwerbegesetz“ zu einer Geldbuße von 500,- € verurteilt.
Mit ihrer Rechtsbeschwerde rügt die Betroffene die Verletzung materiellen Rechts.

II.
Die statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG) Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Das amtsgerichtliche Urteil ist wegen fehlender Angaben zur Schuldform lückenhaft.
Hierzu hat die Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht in ihrer Antragsschrift vom 23.11.2005, mit welcher sie beantragt, das Urteil des Amtsgerichts München vom 12.09.2005 aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen, aufgeführt:

„Die Gründe der Urteils im Bußgeldverfahren unterliegen zwar keinen hohen Anforderungen. Die Gründe müssen jedoch so beschaffen sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht zur Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung (hinsichtlich aller objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale) entnehmen kann, welche Feststellungen der Amtsrichter getroffen hat und welche tatrichterlichen Erwägungen der Bemessung der Geldbuße zugrunde liegen (vgl. Göhler OWiG 13. Auflage § 71 Rn. 42). Unerlässlich ist die Angabe der für erwiesen erachteten Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit gesehen werden, und zwar hinsichtlich des Sachverhalts und grundsätzlich auch zur Schuldform (vgl. Göhler OWiG 13. Auflage § 71 Rn. 42a). In der gerichtlichen Bußgeldentscheidung ist anzugeben, ob gegen den Betroffenen wegen vorsätzlichen oder nur fahrlässigen Handels eine Geldbuße festgesetzt wird, damit im Rechtsbeschwerdeverfahren überprüft werden kann, ob die Geldbuße dem richtigen Bußgeldrahmen entnommen ist (vgl. Göhler OWiG 13. Auflage § 17 Rn. 14).

Die hier vorliegenden Ordnungswidrigkeiten nach § 15 HWG können sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig begangen werden. Vorliegend hat der Tatrichter nicht angegeben, ob die Betroffene wegen Vorsatz oder Fahrlässigkeit verurteilt worden ist.

Die fehlende Angabe zur Schuldform ist auch nicht deswegen unschädlich, weil die Schuldform den Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe einwandfrei zu entnehmen ist (vgl. Göhler OWiG 13. Auflage § 71 Rn. 41). Dies ist hier nämlich nicht der Fall.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an.

2. Das amtsgerichtliche Urteil lässt zudem eine Gesetzesänderung unberücksichtigt, obwohl diese sich möglicherweise für die Betroffene gemäß § 4 Abs. 2 OWiG (milderes Gesetz) günstig ausgewirkt hätte.

A) Das Heilmittelwerbegesetz wurde durch Artikel 2 des 14. Änderungsgesetzes des Arzneimittelgesetzes vom 29.08.2005 (BGBI i. S. 2570 ff.) geändert. Die Änderung betrifft unter anderem die vorliegend entscheidungserhebliche Anlage zu § 12 HWG (Art. 2 Nr. 7 des 14. Änderungsgesetzes) und ist bereits mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt am 05.09.2005 in Kraft getreten (Art. 8 Abs. 1 des 14. Änderungsgesetzes).

B) Während zur Tatzeit im Januar 2005 noch die frühere Fassung der Anlage zu § 12 HWG galt, war zum Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts am 12.09.2005 somit bereits die neue Fassung in Kraft getreten. Diese könnte für die Betroffene günstiger sein, weil durch die Neufassung der Anlage zu § 12 HWG die Werbung für zahlreiche Krankheiten und Leiden nicht mehr untersagt ist. Nach § 4 Abs. 2 OWiG ist bei Gesetzesänderungen zwischen Beendigung der Handlung und der Entscheidung des Gerichts das mildeste Gesetz anzuwenden.

III.
Im Übrigen weist das amtsgerichtliche Urteil keine Rechtsfehler auf.

1. Das Heilmittelwerbegesetz ist vorliegend sowohl in persönlicher als auch in sachlicher Hinsicht anwendbar.
Werbetreibender ist jede natürliche oder juristische Person, die an der Verbreitung einer Werbeaussage, die dem HWG unterfällt, beteiligt ist (vgl. Gröning Heilmittelwerberecht § 1 HWG Rn. 75; Doepner HWG 2. Auflage § 1 Rn. 13).

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG findet das Gesetz Anwendung auf die Werbung für andere Mittel, Verfahren, Behandlungen und Gegenstände, soweit sich die Werbeaussage auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden bei Menschen oder Tier bezieht.
Der für das HWG maßgebliche Begriff der „Behandlung“ ist weitergehend als der Begriff „Ausübung der Heilkunde“ im Sinne des Heilpraktikergesetzes (HPG). Eine Behandlung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG verlangt, anders als die Ausübung der Heilkunde im Sinne von § 1 Abs. 2 HPG, keine Tätigkeit, die nach allgemeiner Auffassung im Hinblick auf das Ziel, die Art oder die Methode der Tätigkeit ärztliche Fachkenntnisse voraussetzt (Doepner a.a.O. m.w.N.).
An die heilkundlichen Kenntnisse dürfen bei der Frage der Anwendbarkeit des HWG keine strengen Anforderungen gestellt werden, da ansonsten der Schutzzweck dieses Gesetzes unterlaufen würde (Gröning § 1 Rn. 330 mit Beispielen unter Rn. 331).

Das Amtsgericht ist demzufolge zutreffend von ausgegangen, dass die von der Betroffenen praktizierte Synergetik-Therapie dem Anwendungsbereich des „ 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG unterfällt und musste dabei nicht prüfen, ob diese Therapie eine Ausübung der Heilkunde im Sinne von § 1 Abs. 2 HPG darstellt.

2. Die Betroffene kann sich nicht darauf berufen, sie wäre aufgrund von § 8 Abs. 2 Teledienstgesetz (TDG) für die Krankengeschichten nicht verantwortlich, weil sich die „336 Kurzfassungen“ nicht auf ihrer Homepage, sondern auf Homepages Dritter befinden, zu denen sie lediglich durch Setzen von Links den Zugang erleichtert habe. Das TDG ist nicht einschlägig. Durch dieses Gesetz wird die Verantwortlichkeit des „Verlinkers“ für den rechtswidrigen Inhalt verlinkter – also fremder – Webseiten geregelt. Vorliegend kommt es jedoch nicht darauf an, ob die verlinkten Webseiten als solche rechtswidrig sind. Genauso wie ein Patient durchaus seine Krankengeschichte erzählen darf und erst der Hinweis eines Werbetreibenden auf eine solche Krankengeschichte einen Verstoß gegen das HWG darstellen kann, stellt die Homepage der Betroffenen mit den verlinkten Krankgeschichten eine Werbung unter Verstoß gegen das HWG dar, ohne dass es darauf ankommt, ob die verlinkten Seiten als solche rechtswidrig sind.
Zudem ist in § 11 Abs. 1 Nr. 3 HWG ausdrücklich geregelt, dass nicht nur die Wiedergabe, sondern bereits der Hinweis auf Krankengeschichten ein verbotenes Werbemittel darstellt und den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllen kann. Ein Link stellt jedenfalls einen solchen Hinweis dar.

3. Ohne Rechtsfehler hat das Amtsgericht die Fälle 1 bis 3 (Beispiele 135, 142 und 183) als einen Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Nr. 3 HWG angesehen, obwohl die Krankengeschichten möglicherweise nicht von Angehörigen der Fachkreise, sondern von Patienten stammen.

Diese Vorschrift bestimmt, dass außerhalb der Fachkreise für Verfahren und Behandlungen nicht mit der Wiedergabe von Krankengeschichten sowie mit Hinweisen darauf geworben werden darf. Nach heute herrschender Meinung können Verfasser von Krankengeschichten im Sinne von § 11 Nr. 3 HWG auch Laien sein, etwa Journalisten oder Patienten (vgl. Doepner § 11 Nr. 3 Rn. 12; Gröning § 11 Nr. 3 Rn. 4 m.w.N.).

4. Zutreffend ist das Amtsgericht von der Anwendbarkeit des § 12 Abs. 2 HWG auf die Synergie-Therapie der Betroffenen ausgegangen:
Nach § 12 Abs. 2 HWG darf die Werbung für andere Verfahren und Behandlungen außerhalb der Fachkreise sich nicht auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung der Krankheiten und Leiden beziehen, die in der Anlage zu § 12 HWG näher ausgeführt sind.
Ebenso wie bei § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG ist nach dem Schutzzweck des Heilmittelwerbegesetzes der Begriff der Verfahren und Behandlungen i.S.d. § 12 Abs. 2 HWG weit auszulegen (vgl. III Ziffer 1).

5. Soweit sich die Betroffene auf einen Verbotsirrtum beruft, ist darauf hinzuweisen, dass ein solcher dann vermeidbar gewesen wäre, wenn die Betroffene aufgrund eigener Erwägung zu einer anderen Auffassung gelangt wäre als die Behörde, die ihr Verhalten als rechtswidrig angesehen hat, und in Kenntnis dieser Rechtsansicht gehandelt hätte (Kammergericht Gewerbearchiv 92, 195; Göhler OWiG 14. Aufl. § 11 Rn. 24).

IV.
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen ist das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen und mit der Kostenentscheidung aufzuheben (§ 353 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens an das Amtsgericht München zurückverwiesen (§ 79 Abs. 6 OWiG).

Löffler